IN DIESEM Herbst werden bei Sotheby's in London in einer Auktionsserie, die im November mit der Versteigerung von "19th Century European Paintings including Spanish Painting 1850-1930" beginnen wird, eine Gruppe von bedeutenden Kunstwerken zum Aufruf kommen, die vor zwei Jahren in Folge der durch die Hochwasserkatastrophe durcheinander geratenen Bestände im Keller der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden wieder entdeckt worden sind. Diese Werke sind erst kürzlich an die Erben der rechtmäßigen Eigentümer restituiert worden.
Dabei handelt es sich um Gemälde, Grafiken und Zeichnungen, die einst zu der bedeutenden Privatsammlung Max und Fanny Steinthal gehörten. Die Recherche enthüllte nicht nur die ursprünglichen Eigentümer sondern deckte auch eine außergewöhnliche Reihe an Ereignissen auf, die zur Aufbewahrung der Werke im Depot der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden führte. In den dreißiger Jahren hingen einige der Werke als Leihgabe im alten Jüdischen Museum.
Die zur Auktion kommende Kollektion umfasst Altmeistergemälde, Gemälde des 19. Jahrhunderts, Kunst des Impressionismus, Grafiken sowie Dekorative Kunst und Dokumente, die auf mehr als £ 3 Millionen geschätzt sind.
Max Steinthal (1850-1940) war eine außergewöhnliche Persönlichkeit mit hohen Ansprüchen und hoch gesteckten Zielen; daneben war er ein sehr aktiver Förderer der schönen Künste. Mit 16 Jahren begann er eine Berufsausbildung in der Paderstein Bank in Berlin und machte durch Fleiß und Ehrgeiz zügig Karriere. Im Jahre 1873 trat Max Steinthal der Deutschen Bank bei und war maßgeblich an der weiteren Entwicklung in ihren Gründungsjahren beteiligt. Bis 1935 zählte er, der entscheidend für die Bank bei der Umwandlung des Mannesmann Konzerns in eine Aktiengesellschaft die Fäden zog, zum Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Außerdem gehörte er zu den Gründern der Berliner U-Bahn.
Steinthals Aktivitäten waren im kulturellen Bereich nicht minder von Bedeutung: Zu den Malern, die Steinthal ansprachen, zählte Jean-François Millet. Im Jahre 1897 war Max Steinthal einer der neun Stifter, der Millets November (datiert 1870) für die Nationalgalerie in Berlin ankaufte. Darüber hinaus sollen sich Max und Fanny Steinthal von dem berühmten Berliner Museumsdirektor Wilhelm von Bode bei der Zusammenstellung ihrer Kunstsammlung beraten haben lassen, blieben jedoch für die verschiedenen Kunstrichtungen offen.
Max und Fanny Steinthal lebten den größten Teil ihres Lebens in ihrer eleganten Villa in Charlottenburg (rechts), die sie mit ihren wundervollen Gemälden, Zeichnungen, Grafiken und weiteren erworbenen Kunstwerken bestückt hatten. 1893/4 beim Architekten Wilhelm Cremer in Auftrag gegeben, avancierte die Charlottenburger Villa zu einer Reflektion ihres Reichtums, ihres eleganten Stils und ihres vollendeten Geschmacks. Doch der wegen seiner jüdischen Abstammung verfolgte Bankier Steinthal und seine Frau, mussten die herrschaftliche Villa 1939 auf Druck der Naziregierung räumen und siedelten in ein Berliner Hotel um, wo sie kurz vor ihrer Deportation verstorben sind.
Um ihre Kunstsammlung, die Max und Fanny Steinthal mit viel Hingabe und Kompetenz zusammengetragen hatten, zu erhalten und vor dem Zugriff der damaligen Regierung zu bewahren, ernannte Fanny Steinthal nach dem Tod ihres Mannes ihren nichtjüdischen Schwiegersohn zu ihrem Testamentvollstrecker, der Teile der Kunstsammlung wegen der Bombengefahr in Berlin in seine Villa in Dresden verlagerte. Wegen der Flucht der Steinthal-Kinder vor den Nationalsozialisten ins Ausland, verloren diese nach den damals geltenden Vorschriften ihre deutsche Staatsangehörigkeit und ihr Vermögen in Deutschland, einschließlich der Kunstsammlung, die dem Deutschen Reich verfielen. Zum Glück war den deutschen Behörden die Verlagerung der Sammlung nach Dresden nicht bekannt, so daß sie keinen Zugriff nehmen konnten.
Nach dem Krieg floh der Testamentvollstrecker zusammen mit seiner zweiten Ehefrau aus der DDR. In Anwendung der DDR-Enteignungsvorschriften wurde die in der Dresdner Villa eingelagerte Kunstsammlung Steinthal wegen der Republikflucht des Testamentvollstreckers beschlagnahmt. Glücklicherweise hatte er den Besitz der Steinthals in sieben deutlich beschrifteten Kisten aufbewahrt. Die Unsicherheit über die Herkunft der Sammlung führte dazu, daß sie nicht als "Volkseigentum" behandelt sondern vielmehr in das Depot der Dresdner Museen eingelagert worden ist. Dort gerieten sie in Vergessenheit bis sie durch eine Naturkatastrophe wieder zum Vorschein kamen.
Im Spätsommer des Jahres 2002 wurden weite Teile Deutschlands durch das Elbe-Hochwasser überflutet und beschädigt. Darunter fielen unter anderem Institutionen und Museen, so auch die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden. Auf Grund der Überflutung mußten die Kunstwerke aus den sanierten Kellerräumen des Museums gerettet werden. Da nach der Evakuierung die Bestände des Museums durcheinander geraten waren, wurde es erforderlich, diese nun zu durchforsten. Dabei wurden die Kisten mit der Beschriftung "Steinthal" entdeckt. Nach genauer Begutachtung und eingehender Recherche konnte der Inhalt der Kisten identifiziert werden: Bei den Kunstwerken handelte es sich um die bedeutende Kunstsammlung von Max und Fanny Steinthal. Vor einigen Monaten wurde der Inhalt dieser Kisten an die Erben der rechtmäßigen Eigentümer restituiert.
Zu den Höhepunkten der nun zur Auktion kommenden Werke zählen zwei bedeutende Gemälde aus dem 19. Jahrhundert: Las Tres velas (Die drei Segel) von Joaquín Sorolla y Bastida (1863-1923, datiert 1903, links), geschätzt auf £ 1.500.000-2.000.000 (€ 2.250.000-3.750.000) und La Raccolta delle Zucche (Die Kürbisernte) von Giovanni Segantini (links, 1858-1899), geschätzt auf £ 1.200.000-1.800.000 (€ 1.800.000-2.700.000), das ohne Zweifel zu Segantinis bemerkenswertesten Arbeiten gehört. Diese beiden Werke zusammen spiegeln Steinthals sehr persönliche Sicht wider, die zum Aufbau seiner Sammlung geführt hatte: Sorolla und Segantini zollten dem Leben einfacher Arbeiter hohen Respekt. Auch wenn der Philanthrop und große Wohltäter Max Steinthal in seinen Erwerbungen für die Sammlung dieser Vorliebe immer treu blieb, umfasst die Kollektion darüber hinaus eine Anzahl an weiteren grandiosen Kunstwerken aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Darunter zählen eine bedeutende wieder entdeckte Gouache von Camille Pissarro (1830-1903) Die Badenden (datiert 1896, Schätzpreis: £ 60.000-80.000, € 90.000-120.000) und ein Stilleben Rosen in Schale von Lovis Corinth (1858-1925) (rechts, Schätzpreis: £ 90.000-120.000, € 150.000-225.000). Diese Arbeiten werden komplettiert durch eine Reihe von sehr schönen Grafiken von Künstlern wie beispielsweise Pablo Picasso, Edvard Munch, Jean-François Millet und Edouard Manet.
Obgleich der Focus der Sammlung auf dem 19. und 20. Jahrhundert liegt, dehnte sich Steinthals Interesse auf dem Gebiet der Altmeistergemälde aus. Zwei zur Auktion kommende Arbeiten zeigen vortrefflich seinen Stil und Geschmack in diesem Segment: ein Ölgemälde des flämischen Künstlers Frans Snyders (1579-1657) Stilleben mit Obst in einem Korb (links, Schätzpreis: £ 100.000-150.000, € 146.000-220.000) und ein bedeutendes Stilleben von Gaspar Pieter Verbruggen (1664 1730) Parklandschaft in Blumenkranz (Schätzpreis: £ 40.000-60.000, € 60.000-90.000).
Zusammengefaßt offenbart die Steinthal-Sammlung einen beeindruckenden Einblick in die Empfindsamkeit eines der führenden Bankiers des 19. Jahrhunderts in Deutschland, der nach den höchsten ästhetischen und moralischen Grundsätzen gelebt hat. Darüber hinaus betont die fesselnde Geschichte, auf der diese Sammlung beruht, die historische Bedeutung und erhöht das bereits bestehende Interesse deutlich.
Ausstellungstour
Im Rahmen der Ausstellung "Max Steinthal: Ein Bankier und seine Bilder"
wird
die Sammlung erstmalig für die Öffentlichkeit zugänglich
sein:
Im Jüdischen Museum in Berlin, Lindenstraße 9-14
Vom 4. bis 26. September 2004, dienstags bis sonntags von 10 bis 20
Uhr,
montags von 10 bis 22 Uhr
Höhepunkte der Auktionen werden ausgestellt in Mailand, Zürich und Madrid:
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