Maler
und Poeten rund
um den Chiemsee
(seit der Mitte des 19.Jahrhunderts) Noch bevor um 1870 auf dem Königsschloß Herrenchiemsee ein reger Fremdenverkehr einsetzte, kamen bereits die ersten Maler aus den Münchner Kunstakademien in den Chiemgau. Unter dem Einfluß der französischen Meister von Barbizon, zu denen unter anderem Millet und Corot gehörten, und vor allem des allmählich aufkommenden Impressionismus rückte die sogenannte Freilichtmalerei ins Zentrum der künstlerischen Auseinandersetzung. Fertigte man früher allenfalls Skizzen in der freien Natur an, die dann im Atelier in Ölmalerei umgesetzt wurden, so begannen nun die Künstler mit Staffelei und Malutensilien ausgerüstet nach draußen zu ziehen. Die deutschen Kollegen folgten dem französischen Beispiel, wandten sich ab vom klassizistisch-erhabenen, heroischen Stil des frühen 19.Jahrhunderts und interessierten sich fortan für das Erfassen des atmosphärischen Gesamteindrucks einer Landschaft und dafür, bestimmte Stimmungen, abhängig von Witterung und Lichtverhältnissen, auf Papier und Leinwand zu bannen. Eduard Schleich d.Ä. (1812-1874) zählt zu den Wegbereitern der Münchner Landschaftsschule und gilt als einer der ersten Freilichtmaler in Deutschland überhaupt. Schleich wählte den Chiemsee und seine stimmungsvolle Umgebung als bevorzugtes Ziel seiner häufigen Malreisen. Ihm folgten alsbald andere Maler aus den Münchner Musentempeln nach, die sich erst auf der idyllischen Fraueninsel, später dann auch am Südufer des Chiemsees, in Bernau, Feldwies, Übersee und Staudach niederließen. Diese Gruppe von Malern, die sich stolz "Pleinairisten", das heißt Freilichtmaler, nannten, markieren den Anfang einer ganzen Reihe von Malergenerationen, die sich teils mit festem Wohnsitz und teils während ihrer Studienreisen rund um den Chiemsee niederließen. Karl Raupp (1837-1918) und seine Schüler gründeten eine der damals so modernen Malergruppen mit dem Namen "Künstlerkolonie Frauenchiemsee". 1872 folgte Josef Wopfner (1843-1927), der bei dem berühmten Historienmaler Carl Piloty studiert hatte und dann zum naturalistischen Leibl-Kreis gezählt wurde. Eine Berufung als Professor nach Berlin lehnte Wopfner ab. Er blieb lieber am Chiemsee und widmete sich in seinen Bildern sowohl den wechselnden Stimmungen des Sees als auch den Chiemgauern, die er als Bauern, Fischer und Mägde porträtierte. Bei nicht wenigen gilt Wopfner als der bedeutendste "Chiemseemaler". Von Wilhelm Leibl (1844-1900) selbst hat bedauerlicherweise kein Chiemseebild überliefert, man berichtet allerdings von dessen waghalsigen Segelpartien. Erhalten hingegen sind einige Ansichten des Chiemsees und des Seeoner Sees von Wilhelm Trübner (1841-1917), der als zweiter bedeutender Kopf des Leibl-Kreis gezählt wird und weit über Bayerns und Deutschlands Grenzen hinaus einen Ruf als Landschaftsmaler hat. Seine Landschaftsbilder sind eindringliche Zeugnisse für den besonderen Reiz der Chiemseeregion. Um die Jahrhundertwende schlossen sich unter anderem Leo Putz (1869-1940) und Max Slevogt (1868-1932) in der Priener Künstlervereinigung "Die Scholle" zusammen. Slevogt ist neben Liebermann und Corinth der dritte große deutsche Maler, der unter dem Einfluß der französischen Impressionisten zu einer den sinnenfrohen Augenblick wiedergebenden, sensiblen Malweise kam. Den Impressionisten und Naturalisten folgten dann im 20.Jahrhundert die Expressionisten, die sich gleichwohl vom Chiemsee angezogen fühlten. Julius Exter (1863-1939) ließ sich in Übersee nieder, wo er in einem alten Bauernhaus sein Atelier einrichtete. Haus und Atelier sind bis heute erhalten und können als Museum von beträchtlichem atmosphärischen Reiz besichtigt werden. Freilich, damals tat sich die Landbevölkerung anfangs wohl schwer mit den Gepflogenheiten der Kunstschaffenden, glaubt man der Anekdote, die von Julius Exter und seiner Malschule die Runde macht. So erzählt man sich, "man habe gesehen, wie sich schamlose Weiber ganz nackt malen ließen." Da kam der Holländer Arnold Balwé (1898-1983) mit seinen Blumen- und Bauerngärten dem Geschmack der Öffentlichkeit schon mehr entgegen. Die Balwés, auch die Ehefrau konnte mit dem Pinsel sehr gut umgehen, ließen sich 1922 ebenfalls in Übersee nieder; 1983 ist Arnold Balwé in Prien gestorben. Nicht unerwähnt bleiben soll hier in dieser Aufzählung, daß auch der wohl bekannteste Expressionist Max Beckmann, während eines zweiwöchigen Aufenthaltes 1934 in Gstadt, ein Bild mit dem Titel "Sommertag am Chiemsee" malte. Und so kommt es, daß eine Ansicht des Chiemsees heute bis nach Kalifornien gelangt ist. Beckmann war zu diesem Zeitpunkt bereits seine Professur von den Nazis entzogen worden und seine Kunst wurde als "entartet" verfemt. Beckmann flüchtete 1937 nach Amsterdam, andere Künstler, die sich am Chiemsee niederließen, wie zum Beispiel Sepp Hilz und der Bildhauer Arno Breker wurden in ihrem Schaffen für die nationalsozialistische Propaganda instrumentalisiert. Nach dem Krieg trat in der allgemeinen künstlerischen Entwicklung die Landschaftsmalerei etwas in den Hintergrund und als Folge davon, wurde auch der Chiemsee nicht mehr vordringlich als Malmotiv aufgesucht. Der einzige Künstler der Nachkriegszeit, der in Feldwies ansässig war, und bislang als "lexikonwürdig" eingestuft wurde, ist Willi Geiger. Als Schüler Franz von Stucks und im Dritten Reich wie Beckmann als "entartet" diffamiert, zog er sich auf seinen renovierten Bauernhof zurück. Dort schuf er anklagende Bilder in expressionistischer Ausdrucksstärke, die immer wieder die während des Nationalsozialismus leidvoll wahrgenommenen Erfahrungen thematisierten. "Der Chiemsee! Wenn ich die Augen schließe, und sei es, wo immer, Wasser an Schiffsplanken plätschern höre, erwacht in mir die Erinnerung an die Jugendzeit, an Stunden, die ich im Kahn verträumte, den See rundum und den Himmel über mir." Ludwig Thoma ( 1867-1921) ist's, der sich in diesem kleinen Textauszug so euphorisch an den Chiemgau erinnert. Der 1867 in Oberammergau geborene Thoma stammte aus einer Försterfamilie und kam mit seiner Mutter, einer umtriebigen Gastwirtin, in verschiedene Chiemseegemeinden wie Prien und Seebruck. Thoma verbrachte seine Ausbildungszeit als Rechtspraktikant von 1890 bis 1892 in Traunstein und wir kennen aus seinen "Erinnerungen" einige recht beredte Zeugnisse, in denen sich Thoma in seiner bekannt süffisanten, aber niemals böswilligen Art über den Chiemgauer Menschenschlag äußert. Er, der sich als Satiriker hinter dem Pseudonym Peter Schlemihl verbarg und in so anerkannten Zeitschriften wie dem kritischen "Simplicissimus" veröffentlichte, sparte nicht mit literarischem Spott für die Engherzigkeit von spießbürgerlichen und heuchlerischen Zeitgenossen. Seine humorvollen Erzählungen und naturalistischen Bauernromane lassen ihn im Bewußtsein der Öffentlichkeit als meisterlichen Schilderer von Land und Leuten in Bayern in Erinnerung bleiben. Literaturwissenschaftler bescheinigen dem Dichter der "Lausbubengeschichten", der "Tante Frieda" oder der "Lokalbahn" einen originären, oberbayerischen Dialekt von großer Lebensechtheit. Ebenfalls seine Jugendzeit in Traunstein, verbrachte ein anderer großer Schriftsteller der deutschen Literatur des 20.Jahrhunders: Thomas Bernhard (1931-1989). Seine Charakterisierung von Traunstein und seiner Bevölkerung fällt allerdings weitaus unversöhnlicher und krasser aus, als das bei Thoma je der Fall gewesen war. Schon in seinen Romanen und Erzählungen ist das Leben in der Provinz stets radikal negativ gezeichnet, das menschliche Miteinander als massiv gestört beschrieben und der einzelne Mensch mithin isoliert und ausgeliefert einer feindlichen Natur. Die bürgerliche Gesellschaft zeigt sich in Bernhards literarischer Welt ohne jegliches verbindliches Ordnungs- und Wertesystems. Sein künstlerisches Ausdrucksmittel und seine Erzählweise sind oft geprägt von schwer erträglichen Wiederholungen. Seine Metaphorik entspricht der Skepsis und der Negativität seines Denkens, das aber mitunter in seiner Bösartigkeit geradezu grotesk-komische Züge annimmt. Diesen Ton behält der Autor auch in seinen fünf zwischen 1975 und 1982 entstandenen autobiografischen Schriften bei. Somit erscheint die Frage durchaus berechtigt, ob der Text "Das Kind", in welchem Bernhards Schul- und Leidenszeit in Traunstein behandelt wird, die Lebensbedingungen seiner Kindheit und Jugend aufarbeitet und ansatzweise die Negativität seiner Wirklichkeitserfahrung verständlich und nachvollziehbar macht. Oder, ob nicht vielmehr auch die autobiografischen Texte von Thomas Bernhard eine konsequente Fortsetzung seines fiktiven, literarischen Werks darstellen, so daß auch hier die Schimpftirade als reines Stilmittel und nicht als Wirklichkeitsbeschreibung eingesetzt ist. Traunstein, auf alle Fälle, kommt in "Das Kind" nicht gut weg, so läßt zum Beispiel der Autor seinen Großvater, die einzige positiv charakterisierte Figur seiner Kindheit sagen: "Nichts sei ekelerregender als die Kleinstadt, und genau die Sorte wie Traunstein sei die abscheulichste. Ein paar Schritte in diese Stadt hinein, und man sei schon beschmutzt, ein paar Wörter mit einem ihrer Bewohner gesprochen, und man müsse erbrechen." Seine schmerzhaften Erfahrungen als Bub mit den autoritären Strukturen von Schule und Familie strahlen in der Prosa von Thomas Bernhard aus auf das gesamte soziale Umfeld. Nur wenigen ist es ein Trost, daß es Salzburg oder dann den Wienern nicht besser ergehen sollte, zahlreiche Rechtsstreitigkeiten markieren des Autors Biografie. Man tut sich auch heute noch schwer damit in Traunstein und sieht in Thomas Bernhard den Nestbeschmutzer. Dabei hätte man allen Grund stolz zu sein, daß einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Literatur hier seine Jugend verbrachte. Während Thomas Bernhard in den 30er Jahren in Traunstein noch ein Bub war, war Luise Rinser bereits eine anerkannte Schriftstellerin. Die 1911 geborene Autorin war 1942 mit ihren Kindern von Rostock nach Kirchanschöring gekommen, wo sie bei Verwandten und später dann in einem Einödhof in Voglaich eine Bleibe fand. Den Chiemgau kannte Rinser bereits von diversen Ferienaufenthalten, die sie bei ihrem Onkel Georg Rinser verbracht hatte. Georg Rinser war zu dieser Zeit Pfarrer in Kirchanschöring. Noch im Herbst 1944 wurde die sozialdemokratisch und christlich engagierte Schriftstellerin wegen angeblicher Wehrkraftzersetzung und wegen Hochverrats verhaftet und kam ins Frauengefängnis von Traunstein. Ihre Erfahrungen dort fanden ihren Niederschlag im 1946 erschienenen "Gefängnistagebuch". Nur durch die Fürsprache einflußreicher Persönlichkeiten entging Rinser einer Verurteilung, und sie wurde im Frühling 1945 aus der Haft entlassen. Trotz alledem blieb die Autorin noch bis 1948 in Kirchanschöring. Bereits während des 1.Weltkrieges war einem bedeutenden Schriftsteller der deutschen Literatur ein Zwangsaufenthalt in Traunstein verordnet worden: Der Expressionist und politische Anarchist Erich Mühsam (1878-1934) war 1918 nach Traunstein geschickt worden, weil er sich geweigert hatte, sich am "vaterländischen Hilfsdienst" zu beteiligen. Der Zwangsaufenthalt in der Provinz sollte wohl auch dazu beitragen, den als öffentlichen Agitator gefürchteten Mühsam von seinem großen Münchener Publikum fernzuhalten. Absolut freiwillig hingegen zog 1950 die als "Märchenbaronin" gekannte Elsa Sophia von Kamphoevener (1878-1963) nach Marquartstein, wo sie bis zu ihrem Tod leben sollte. Sie war einem Millionenpublikum bekannt geworden, als sie in der Nachkriegszeit im Rundfunk ihre orientalischen Märchen erzählte. In freier Rede, ohne sich an einen vorgegebenen Text zu halten, gab sie kluge und humorvolle Einsichten in die Weisheit der orientalischen Dichtung. Die orientalische Welt kannte sie aus eigener Erfahrung, seit sie als Diplomatentochter mehrere Jahre in der Türkei verbracht hatte. Ihre bekannteste Märchensammlung heißt "An den Nachtfeuern der Karawanserail" und ist 1956/57 erschienen. Selbst wenn in einer erst kürzlich erschienenen kritischen Biographie die abenteuerliche Lebensgeschichte der Kamphoevener als reine Legende abgetan wird, ändert das nichts an ihrer herausragenden Begabung als Märchenerzählerin. Ebenfalls nach dem Krieg zog das Schriftstellerehepaar Isabella und Burkhard Nadolny endgültig in ihr Sommerhaus an den Chiemsee. Sie ließen sich in unmittelbarer Nähe zum See in Chieming nieder, wo auch Isabella Nadolnys autobiografische Bücher "Ein Baum wächst übers Dach" und "Seehamer Tagebuch" ihren Ort der Handlung haben. Die erst in den 30er Jahren nach Oberbayern gekommene Autorin wirft in diesen Büchern einen recht humorvoll liebevollen, aber auch genauen Blick auf die Landbevölkerung und das Leben in einem aufkommenden Fremdenverkehrsort. Ebenfalls zum Schriftsteller berufen war der Sohn der Familie, Sten Nadolny, der mit seinem Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit" nicht nur den begehrten Ingeborg-Bachmannpreis gewann, sondern es auch beim Lesepublikum zu großer Popularität brachte. Auf der Schwelle in die 60er Jahre erregte die aus Siegburg stammende Ruth Rehmann (*1922) literarisches Aufsehen mit einem frühen Bauernroman, der den Titel "Die Leute im Tal" trägt. Der Roman schildert die Probleme und Konflikte zweier Generationen auf einem oberbayerischen Bauernhof. Rehmann lebt heute als freie Autorin in Trostberg, ganz in der Nähe ihres literarischen Kollegen Franz Xaver Kroetz, der sich trotz gelegentlicher verbal-literarischer Ausfälle gegen "Bauernkäffer" in einem solchen, nämlich in Kirchberg bei Altenmarkt an der Alz, niedergelassen hat. Der 1946 in München geborene Kroetz versuchte sich ziemlich erfolglos zunächst als Schauspieler bis er in den 70er Jahren zum wohl erfolgreichsten und meistgespielten Dramatiker an Deutschlands großen Bühnen aufstieg. Seine kritischen Volksstücke, die in erster Linie im Milieu der Arbeiter und Bauern angesiedelt sind, thematisieren die Unfähigkeit der Menschen miteinader zu kommunizieren und gewähren einen genauen Blick in die Abgründe menschlicher Existenz. "Stallerhof" und "Geisterbahn", zwei Dramen, die sich mit dem Schicksal und Leben der zurückgebliebenen Bauerstochter Beppi auseinandersetzen, wurden von der Literaturkritik euphorisch gefeiert. Mit Franz Xaver Kroetz glaubte man das literarische Naturtalent gefunden zu haben, das in einem zunehmend akademisierten Literarurbetrieb schmerzlich vermißt worden war. Ähnlich wie bei dem anfangs erwähnten Thoma wird auch bei Kroetz seine "nachtwandlerische Sicherheit" gelobt, mit der es ihm gelingt, die Sprache der kleinen Leute wiederzugeben. Während jedoch bei Thoma immer ein komödiantischer Ton vorherrscht, ist das literarische Schaffen von Franz Xaver Kroetz durch ein aufklärerisches Anliegen gekennzeichnet, das gesellschaftliche Mißstände nicht nur schildert, sondern auch verändern will. Source: TourismusverbandChiemgau@t-online.de |
Galeries/Museen: Galerie Kronert, Munich Galerie Saxonia, Munich Galerie Wimmer, Munich Inselgalerie Gailer, Frauenchiemsee Chiemseepinsel, Bernau (Guido Wichman) Lars Hoenigl - Der Chiemseemaler Staedtische Galerie Rosenheim - aktuell Prien am Chiemsee - Museen Kunestlerhaus Exter, Uebersee/Feldwies |
Links: Chiemsee - Fraueninsel Sehenswuerdigkeiten Herrenchiemsee - Schloss-und Gartenverwaltung Frauenchiemsee Die Fraueninsel Bildarchiv - Chiemseeimpressionen Schloss Amerang Die ungeahnte Herrlichkeit der bayerischen Hochlande ist das Thema dieses Buches. Hier liegt erstmals die Geschichte der Malerei aus drei sueddeutschen Kulturlandschaften vor: dem Inntal, dem Chiemgau und dem Berchtesgadner Land. |
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